Frugalismus: Ich bin eine Frugalistin

Frugalismus: Ich bin eine Frugalistin ohne es zu wissen!

In den letzten Jahren sind mir Begriffe wie „Frugalismus“ und „Frugal Lifestyle“ immer häufiger begegnet. Was sich konkret dahinter verbirgt, wusste ich bis vor kurzem nicht. Im Englischen bedeutet „frugal“ so etwas wie genügsam, einfach und sparsam. Also dachte ich irgendwas mit bescheidenem Lebensstil, habe es aber nie recherchiert.

 

Dann sprach mich das Autoren-Duo von „Der Frugalist“ an, ob ich Interesse an einem Interview hätte, das in ihrem neuen Buch erscheinen soll. Im Groben geht es darum, was ist Frugalismus, wie lebst du frugal und wie kannst du frugal reisen, günstig durch Europa reisen.

 

Als das neue Buch Das Frugalismus Prinzip: Sparsam durch Europa reisen* rauskam, nahm ich mir endlich die Zeit ihre beiden Bücher zu lesen, und da ging mir ein Licht auf.

 

singende kohlmeise

 

Im Grunde bin ich eine Frugalistin

Schon mein ganzes Leben führe ich einen bescheidenen Lebensstil, so wurde ich erzogen, von daher ist es für mich selbstverständlich.

 

Die Basis kommt von meinen Eltern

Meine Eltern kommen aus einfachen Elternhäusern und haben sich Stück für Stück ein gutes Leben erarbeitet. Das haben sie sich durch harte Arbeit, einen bescheidenen Lebensstil und eben einem frugalen Mindset aufgebaut. Wenn möglich haben sie Sachen selber im Haus gemacht, egal ob es Sachen zu reparieren gab, Vorhänge nähen, gesundes Essen selber kochen oder Gemüse im Garten anbauen war.

 

Als Kind hatte ich dabei nie das Gefühl, das es mir an irgendetwas gemangelt hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt nichts besseres, als in den eigenen Garten zu gehen, Himbeeren zu naschen oder in eine knackfrische Möhre zu beißen. Eher ist es ein Fluch, weil das Obst und Gemüse aus dem Supermarkt, da einfach nicht ran kommt.

 

Jedes Jahr sind wir drei Wochen in den Sommerurlaub in Europa gefahren. Immer mit dem eigenen Auto. Vor Ort hatten wir eine Ferienwohnung, von der wir uns die nähere Umgebung erkundet haben und die meisten Tage selber im temporären Zuhause gekocht haben. Eine Zeit, die uns als Familie zusammen geschweißt hat und nicht die Welt gekostet hat.

 

Was ist Frugalismus?

Frugalismus nur auf einen bescheidenen Lebensstil zu reduzieren, wäre jedoch falsch. Vielmehr ist das Ziel eines Frugalisten sich ein glückliches und erfülltest Leben zu schaffen. Wie das genau aussieht, ist von Person zu Person verschieden. Im Kern ist es ein Aufruf sich auf die wichtigen Dinge im Leben zu konzentrieren: Beziehungen, Gesundheit, einer erfüllenden Tätigkeit nachzugehen und eine Balance im Leben zu finden.

 

Entstanden ist die Frugalismus Bewegung nach der Finanzkrise 2008 in den USA, wo viele Leute gezwungen waren nach Alternativen zu suchen. Ein Leben auf Pump ist den USA für viele normal, jeder hat diverse Kreditkarten im Portemonnaie und überzieht diese regelmäßig, um sich Dinge zu kaufen oder schön in Urlaub zu fahren. Eine Falle in die viele Leute getappt sind, deshalb mussten sie fortan mit weniger Geld auskommen und wollten einen anderen Weg einschlagen.

 

Die Finanzen sind eine wichtige Säule vom Frugalismus. So gilt es seine Lebenserhaltungskosten zu reduzieren und ein Sparpotential zu schaffen, das Geld kann dann langfristig angelegt werden. Der durchschnittliche Deutsche legt etwa 10% seiner Einnahmen beiseite, Frugalisten versuchen mehr als 50% zu investieren. Einige Frugalisten streben an, so früher wie möglich in Rente gehen zu können und finanziell unabhängig zu werden. Aber das ist nicht das Hauptziel von allen Frugalisten.

 

Was Frugalisten eint, ist bewusst auf alle Bereiche des Lebens zu schauen, um ausgeglichen und glücklich zu leben.

 

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So wurde ich zur Frugalistin erzogen

Aber lass uns kurz etwas das Zeitrad zurückdrehen. Hier sind ein paar Punkte die mir aus dem Kopf einfallen, wie mir Werte des Frugalismus beigebracht wurden. Ich bin mir sicher es sind noch viel mehr.

 

Statussymbole sind unwichtig

In unserer Einfahrt stand ein Fiat Ritmo, der über 15 Jahre treu seine Dienste leistete. In der heutigen Zeit fast undenkbar, so ein kleines Auto für eine fünfköpfige Familie zu haben, aber es hat gereicht. Erst als Teenager lernte ich Markenprodukte kennen, bekam meine erste Levi’s Jeans, aber verstand nie so Recht den Hype, den meine Freunde darum machten.

 

Reparieren statt neu kaufen

Mein Vater ist ein begabter Handwerker, der vieles reparieren kann und einen Keller voller Werkzeug hat. Allein durchs zuschauen und helfen, habe ich so viel gelernt. Meine Mutter hat mir das Nähen und Dinge zu flicken beigebracht. Nicht nur habe ich dadurch die Basics in vielen Bereichen erhalten, sondern auch die Berührungsängste verloren, mich neuen Herausforderungen zu stellen.

 

Behandle deine Sachen gut

Wenn du etwas lange nutzen willst, musst du es pflegen. Als Kind war es mein Fahrrad, das ich geputzt habe und später die wichtigsten Sachen reparieren konnte. Später hat es sich auf alles übertragen. Das beste Beispiel ist mein Fahrrad, was ich seit über 20 Jahren fahre und ich nutze es viel.

 

Nimm das Fahrrad statt das Auto

Wir hatten nur ein Auto, mit dem mein Vater meist zur Arbeit gefahren ist. Brauchte meine Mutter es, hat der den Bus genommen. Später hatte er eine Fahrgemeinschaft und das Auto blieb öfters zu Hause, aber meine Mutter hat die meisten Sachen mit dem Fahrrad erledigt.

 

Als ich später meinen Führerschein hatte, war ein Auto für mich keine Selbstverständlichkeit und ich habe es mir nicht oft geliehen.

 

Radfernwege durch Deutschland

 

Die Basics für eine gesunde Ernährung

Ich kann mich noch erinnern, wenn ich Freunde mit in unseren Garten genommen habe und sie erstaunt waren, das Erbsen in Schoten wachsen. In der Industriegesellschaft haben wir den Bezug zu unseren Lebensmitteln, dem Kochen und einer gesunden Ernährung verloren. Ich hatte das Glück anders aufzuwachsen, den Geschmack von echten Tomaten zu kennen und selber kochen zu lernen.

 

Fertigprodukte waren nie meins. Eine gesunde Ernährung und Bewegung machen mich glücklich.

 

Secondhand

Ich habe die alten Klamotten von meinem Bruder aufgetragen. Unser Spielzeug kam teilweise von Bekannten oder Nachbarn. Wir hatten natürlich auch neue Sachen, aber gerade als Kind war vielleicht die Hälfte gebraucht. Eine der größten Schätze meiner Kindheit war, die Freiheit draußen mit meinem Freunden umherziehen zu können. Spielzeug war da eher Nebensache.

 

DIY und Neues lernen

Ich wurde ermutigt, Sachen selber zu machen und auszuprobieren. Dabei war es egal, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte: ein Baumhaus selber bauen, Akkordeon zu spielen, ein neues Kunstprojekt, einen Pullover stricken, Einradfahren zu lernen oder zu jonglieren. Die Neugierde und die Lust Neues auszuprobieren ist bis heute geblieben, das hält das Leben frisch.

 

Kreativität wurde gefördert

Von klein auf habe ich gemalt, gebastelt, getöpfert und durfte mich kreativ austoben. Jeder war immer scharf auf meinen Kindergeburtstag eingeladen zu werden, da meine Mutter bekannt dafür war, sich die besten Spiele auszudenken.

 

Kreativ zu sein, beschränkte sich nicht nur darauf künstlerisch tätig zu sein, sondern sich Neues auszudenken und kreative Lösungen für Probleme zu finden. Ich wurde stets ermutigt meiner Neugierde zu folgen. Alles Eigenschaften, die mich auf meinen heutigen Weg geführt haben.

 

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Je älter ich wurde, desto mehr wurde ich zur Frugalistin.

Und diese Entwicklung hat sich in meinem weiteren Leben fortgesetzt.

 

Ein Haushaltsbuch führen

Nach dem Abi zog ich aus, um in Düsseldorf zu studieren. Ich wohnte in einer WG und musste zum ersten Mal in meinem Leben finanzielle Verantwortung übernehmen. Jeden Monat stand mir nicht viel Geld zur Verfügung und ich hatte keine Ahnung, wofür ich mein Geld ausgab. So fing ich an ein Haushaltsbuch zu führen, um mit meinem Budget besser zu haushalten und zu verstehen, wo die Knete verschwand und ob es Einsparpotentiale gab.

 

Es gab mir die Kontrolle über meine Finanzen zurück und ich musste nicht mehr Bangen, ob mein Geld bis zum Monatsende reichte. Bis heute dokumentiere ich meine Ausgaben, zwar nicht mehr auf Papier, dafür in einer App. Es ist wichtig zu wissen, wofür du dein Geld ausgibst.

 

Kleine Wohnung

Als Student habe ich immer in WG’s oder in Studentenwohnheimen gelebt. Die Zimmer waren meist klein und bereits möbliert. Da war kein Platz für viel Kram. Auch teilte ich mir meist das Bad und die Küche mit anderen. Der Vorteil in einer großen Familie aufzuwachsen. Bis heute macht es mir nichts aus, Dinge mit anderen zu teilen.

 

Später bin ich dann in eigene Wohnungen gezogen. Diese waren jedoch nie sonderlich groß und ich zahlte immer knapp 400 Euro pro Monat. In meinem Freundeskreis wurden die Wohnungen mit steigendem Gehalt immer größer. Ich wurde teils belächelt für meine kleine „Studentenbude“ ohne schicke Möbel.

 

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Fixkosten niedrig halten

Damals kam ich mit unter 1.000 Euro im Monat aus, darin waren enthalten die Miete, Essen, Urlaube und sonstige Ausgaben. Und das ging obwohl ich in einer beliebten Stadt (oder genau darum) gelebt habe. Obendrauf kamen für mich als Selbstständige noch die Krankenversicherung und Rentenvorsorge.

 

Meine Einnahmen schwankten immer im Laufe des Jahres und ich konnte mich nie auf ein regelmäßiges Einkommen wie ein Angestellter verlassen. Daher war es mir so wichtig meine Fixkosten niedrig zu halten, so kam ich nicht so schnell ins Schwitzen, wenn es mal eine Durststrecke gab. Außerdem fing ich früh an mir ein kleines Geldpolster für die Regentage anzulegen, so konnte ich ruhiger schlafen.

 

Ich habe noch nie ein Auto besessen

Bis vor ein paar Monaten stimmte die Aussage. Jetzt habe ich einen Van, in dem ich lebe und reise.

 

Ich habe immer in der Stadt gelebt und brauchte nicht wirklich ein Auto. Privat habe ich das Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel genutzt. Beruflich habe ich es ebenso gemacht, um Kunden zu besuchen. Es war immer lustig, die Reaktionen der Leute zu sehen, wenn ich meinte, das ich mit dem Fahrrad gekommen bin. Ich war eine Exotin.

 

Falls ein Kunde mal so schlecht zu erreichen war, habe ich mir ein Auto per Carsharing geliehen. Mit einem Auto wäre es einfacher gewesen, dafür hätte es viele Kosten verursacht und in der Stadt hätte ich ständig den Stress gehabt einen Parkplatz zu finden. Das wollte ich nicht.

 

Durch meine Weltreise wurde ich zur Minimalistin

Ich habe noch nie viel zum Leben gebraucht. Meine Weltreise hat mir dann komplett die Augen geöffnet, wie wenig ich wirklich brauche, um glücklich zu sein. Nicht viel.

 

Nach meiner Rückkehr habe ich meinen sowieso schon bescheidenen Besitz immer weiter reduziert. Es hat sich gut gefühlt, Sachen loszulassen. Mich nur mit Dingen zu umgeben, die mir etwas bedeuten oder nützlich sind. Dadurch ist Raum und eine gewisse Leichtigkeit entstanden. Ich musste mich um weniger Sachen kümmern. So hatte ich mehr Energie für die schönen Seiten des Lebens.

 

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Wie will ich leben?

Durch den Abstand den ich auf Reisen zu meinem Leben in Deutschland gewonnen hatte, kamen auf einmal Fragen auf. Will ich so weiter leben wie bisher, wo mein Job viel Raum eingenommen hat? Als Innenarchitektin zu arbeiten, war ein Traum, aber es kostete viel Kraft und war oft stressig. Was macht mich glücklich? Wie könnte mein Leben aussehen? Wie kann ich ortsungebunden Geld verdienen, um meiner Reiseleidenschaft nachzugehen?

 

Auf Reisen habe ich so viele unterschiedliche Lebensstile gesehen und begriffen, das es Alternativen gibt. Mir wurde bewusst, das es in meiner Hand lag mein Leben selber zu gestalten. Die Frage war nur wie.

 

Downsizing

Als ersten Schritt habe ich weiter reduziert. Bin mit noch weniger Geld ausgekommen und habe dadurch weniger arbeiten müssen, als Selbstständige konnte ich mir das einrichten. So schaffte ich Raum, um vieles was in meinem Hinterkopf am Arbeiten war, freien Lauf zu geben. Ich habe mich mit Themen wie Digitale Nomadentum, Online Business und Mindfulness auseinander gesetzt.

 

Das war die Geburtsstunde von meinem Blog Backpacking Hacks und der erste Schritt hin zur Digitalen Nomadin.

 

Loslassen lernen

Rückblickend scheint es ein gradliniger Prozess gewesen zu sein, aber ich kann dir versichern, dem war so nicht. Oft hatte ich das Gefühl mich im Kreis zu drehen und nicht vorwärts zu kommen. Ich kannte niemanden in meinem Umfeld, der ähnliches durchmachte. So stieß ich auf Unverständnis, Leute konnten einfach nicht begreifen, warum ich alles aufgeben wollte. Nicht weil sie es böse meinten, sondern weil sie ein „normales Leben“ gar nicht in Frage stellten.

 

So musste ich lernen loszulassen, von gesellschaftlichen Normen. Mich distanzieren von der Meinung anderer. Den Mut aufbringen, den Absprung zu wagen. In 2019 war es dann soweit, wo ich in meine dritte Langzeitreise gestartet bin, komplett finanziert durch mein Online Business. Ab dann gab es kein zurück mehr.

 

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Bin ich nun eine „echte“ Frugalisten?

In ein paar Punkten muss ich noch etwas nachbessern. Die Corona-Pandemie hat mich als Reisebloggerin hart getroffen und mir bewusst gemacht wie angreifbar ich bin. Die Online-Welt ist sowieso sehr schnelllebig und verändert sich ständig. Deshalb ist es wichtig, dass ich mir ein weiteres Standbein aufbauen will. Das Ziel ist krisensicherer zu werden und mehr Einnahmen zu generieren.

 

Damit ich in Zukunft mehr Geld beiseite legen kann. Beim Thema Investieren bin ich noch eine Einsteigerin und habe viel zu lernen. Außerdem bin ich noch lange nicht finanziell unabhängig und kann in Rente gehen. Ich muss sogar gestehen, ich weiß gar nicht, ob das mein Ziel ist. Eine finanzielle Stabilität wäre schön, aber ich würde immer in irgendeiner Form arbeiten und mich in die Gesellschaft einbringen wollen.

 

Ich bin auf dem Weg

Eins ist jedoch jetzt schon klar, ich habe meinen Schritt zu einem unkonventionellen Leben nie bereut. Es mag sein, das der Weg gelegentlich etwas holprig ist, aber das Ziel ist immer klar, ein unabhängiges und freies Leben zu führen. Im Moment bin ich als Nomadin unterwegs, aber das wird nicht immer so bleiben. Das ist ja das schöne daran, ich kann mein Leben jederzeit neu gestalten und ausrichten.

 

Wie sieht es bei dir aus? Interessiert dich Frugalismus?

Findest du dich in einigen Punkten wieder? Bist du auch auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Leben?

 

Ressourcen für angehende Frugalisten

Viele Inspirationen und Tipps findest du auf dem Blog Frugalisten von Oliver Noelting.

 

Falls dich das Thema interessiert, kann ich dir wärmstens das Buch „Der Frugalisten“ empfehlen: Das Frugalismus-Prinzip: mit Minimalismus und klugem Konsum ein freies und glückliches Leben führen*.

 

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Viel Spaß beim Lesen!

 

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